Veränderungsvorgänge im Kontext der Digitalisierung werden unterlaufen …
Problembeschreibung
Vorbehalte gegen Neuerungen resultieren vor allem aus zweierlei: der damit einhergehende Abschied von gewohnten Strukturen und Prozessen sowie Einschränkungen der individuellen Autonomie. Verstärkt wird dies durch Ermüdungserscheinungen, wenn das betroffene Personal Dauerveränderungen ausgesetzt ist. Gerade letzteres gilt in den letzten beiden Jahrzehnten für das Personal an Hochschulen. Nochmals verstärkt werden Ermüdungen, da die Digitalisierung zu zunehmend verkürzten Veränderungszyklen führt, zugleich aber die digitalen Angebote häufig nur suboptimal funktionieren. Dann entstehen bei Verwaltungsbeschäftigten Befürchtungen, entbehrlich zu werden, oder ältere Mitarbeiter.innen hegen Ängste, die Umstellung nicht zu begreifen (Pietzonka 2017: 19). Hochschullehrende nehmen wahr, dass ihre individuelle Autonomie auf organisationale Steuerungsabsichten stößt. Dann entzünden sich an verpflichtenden IT-Prozessen Auseinandersetzungen um die akademische Freiheit. In der Folge werden die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit digitaler Veränderungsprozesse beständig hinterfragt und unterlaufen. Die Umsetzung stößt immer wieder auf Hindernisse. (Haude/Toschläger 2017: 64). Aus Sicht der Organisation stellt das vor allem ein Ärgernis dar.
Lösung
Gegenüber Bedenkenträgern wird eine offene und wertschätzende Kommunikation gepflegt, denn diese wirken nicht zuletzt als Risikoanzeiger. Deshalb ist eine Moralisierung solchen Verhaltens oft fehl am Platze – und im übrigen auch in der Regel wirkungslos. Eine Bedingung für den Erfolg ist, dass die Nutzer die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der (geplanten) Umstellungsprozesse erkennen können. Dazu wird vor allem eines verdeutlicht: Der konkrete Digitalisierungsvorgang findet sich nicht deshalb vorangetrieben, weil jetzt alles digitalisiert werden soll, sondern weil sich daraus ein konkreter Nutzen ergibt. Weil dabei nie alles sofort vollständig funktioniert, lernt die Organisation aus Fehlern, wofür sie Feedbackschleifen etabliert.
Lösungsbeschreibung
Die Praxis zeigt, dass nicht erfolgreiche Digitalisierungsanstrengungen mehrheitlich in der Phase der operativen Umsetzung scheitern (Schuh 2006: 4-5; 73). Veränderungen können nur dann erfolgreich etabliert werden, wenn zwei Faktorenbündel berücksichtigt werden: neben objektiven Faktoren wie einer entsprechenden Strategieentwicklung auch sogenannte ‚weiche‘, also subjektive Faktoren (Pietzonka 2017: 23). Stellt sich zum Beispiel ein Gefühl von Entlastung und Vereinfachung ein? Dieses lässt sich erzeugen, indem der konkrete individuelle Mehrwert einer digitalen Anwendung für jeden Nutzer spürbar wird. Insbesondere Hochschullehrende nehmen sich – meist zu Recht – als stark persönlich belastet wahr. Verbindet sich das mit dem Eindruck, durch digitale Anwendungen noch zusätzlich belastet zu werden, ist deren Unterstützung unwahrscheinlich. Solche Wahrnehmungen müssen ernstgenommen werden, damit sie konstruktiv bearbeitet werden können.
Durch aktive Kommunikation können frühzeitig Ängste der Betroffenen ermittelt, angesprochen und Unklarheiten beseitigt werden. Bevor eine neue digitale Anwendung eingeführt wird, sollte diese mit Vertreter.innen der künftigen Nutzergruppen getestet werden. So lassen sich die gravierendsten funktionalen Defizite bereits im Vorfeld ausräumen. Das wiederum reduziert das Risiko, dass Digitalisierungsanliegen unterlaufen werden. Verwaltungsmitarbeiter.innen sollte vermittelt werden, dass die Veränderungen keine tiefgreifende Veränderung ihrer Rolle oder gar den Wegfall ihrer bisherigen Stelle zur Folge haben, um Ängste zu reduzieren. (Haude/Toschläger 2017: 67f.)
Indem die sozialen und kulturellen Aspekte der Digitalisierung stark priorisiert werden, können Hochschulen das Verhalten der Nutzer stärker antizipieren, und Nutzer können zu Mitgestaltenden werden. Ebenso lassen sich auf diese Weise eingeschliffene Verhaltensmuster und Gewohnheiten, wie sie alltägliche Arbeitsprozessen prägen, berücksichtigen. Das ermöglicht es, Veränderungsprozesse nicht rein administrativ zu steuern, sondern auch die Selbstreflexion der Akteure über ihre Arbeitsabläufe zu unterstützen.
Beispiele und weiterführende Informationen
Haben sie eigene Erfahrungen im Umgang mit typischen (spezifischen) Problemsituationen der Organisationsgestaltung gemacht? Probleme, die in Reaktion auf die eigene Arbeit auftreten oder solche, die der Organisation innewohnen und gestaltend bzw. moderierend bearbeitet werden können? Haben Sie bewährte Lösungsansätze oder Gestaltungsmuster zur Bearbeitung solcher Problemsituationen? Dann freuen wir uns, wenn Sie uns Ihre Erfahrungen mitteilen.
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